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ARCUS auf Abwegen

Arcus a AbwEr ist ja nicht mehr der Jüngste, mein  2,6m Motorsegler ARCUS von robbe.

Zweimal hat er schon den Motor verloren,  dreimal schon die schön blaumetallik  glänzende Haube  und einmal hat der Regler zu qualmen begonnen, wobei ARCUS  ganz cool blieb und selbständig in einem Maisacker landete. Also ein erprobter und flugerfahrener Oldtimer, der das  (Modell)-Fliegerleben kennt.

Was er sich aber gestern geleistet hat ist schon ein starkes Stück.

Zugegeben, das Wetter war eher suboptimal: ein böig, ruppiger Südwestwind fegte diagonal  über den Platz und alle Modellflug-Kollegen hatten schon ihre kostbaren Geräte sicher in den Autos verstaut. Nicht so ARCUS! „ Bei schönem Wetter kann jeder fliegen !“, besagt eine alte Fliegerweisheit. Also wurde ARCUS zusammengesteckt, den 3000mAh/4S –Lipo rein, kurzer  Rudercheck und ab ging die Post, Richtung Südwesten , dort wo am Hang der dichte Wald mit seinen hohen Fichten und Buchen steht. ARCUS  kämpfte sich mit Vollgas gegen den Sturm vor und gewann sehr rasch an Höhe.

Nach einem wilden Tanz in der bodennahen Turbulenz  stand er bald in ca. 200m Höhe über dem Hang souverän im Aufwind. Nase in den Wind und Motor aus und ARCUS  zeigte, dass er ein Segler ist und er hielt seine Höhe, stieg sogar etwas, um kurz darauf wieder durchzusacken. Es war  doch ganz schön bockig da oben.

Vielleicht hätten wir doch am Boden bleiben sollen? Ach was: „Bei guten Wetter kann jeder...!“ Also Gas rein und wieder Höhe tanken, damit wir den Bäumen und damit den Verwirbelungen ja nicht zu nahe kommen.  Geht doch! ARCUS „stand“ wieder ruhig mit der Nase im Wind, hoch über dem dunklen Wald. Kurzzeitig kam jetzt sogar die herbstliche Sonne zwischen den Wolkenbergen hervor.

Mist! ARCUS flog jetzt genau vor der Sonne und ich konnte ihn für Sekunden nicht sehen. Also nichts wie weg von der Sonne, nach Norden, wo zwar weniger Hang und Wald ist, aber keine Sonne mehr blendet.  Der stürmische Rückenwind jagte  den Segler  rasend schnell aus dem Aufwind raus, auf den Flugplatz zu, aber genau in die starken Leewirbel des Waldes rein.

Und dann ging´s  sehr schnell:

Trotz Vollgas tauchte der Motorsegler nach unten weg und alles Ziehen am Höhenruder half nichts mehr: ARCUS verschwand hinter den dunklen Fichten! Sekunden später trug mir der Wind ein krachendes, knisterndes Geräusch zu und ich wusste:

ARCUS hängt, liegt oder pendelt im  Deutschen Wald!

Dieser berüchtigte Wald hat uns schon viele Stunden verzweifelnder Suche nach abgetauchten  Modellen gekostet. Also wieder einmal losgestapft! Ungefähr auf die Stelle zu, wo er zum letzten Mal noch zu sehen war. Dort angekommen war natürlich kein ARCUS zu sehen. Die Wipfel der mächtigen Fichten bogen sich im rauschenden Wind, die Plize standen massenweise am Waldboden und in einiger Entfernung  alberten ein paar Raben um die  bewegten Baumkronen herum. Wo ist der ARCUS? Hätte ich doch den Piepser eingebaut, der bei  einer Außenlandung  akkustisch den Aufschlagpunkt lokalisieren lässt! Also weitersuchen! Über mir hörte ich das Surren einer Drohne mit Kamera, mit der ein hilfsbereiter Freund nach dem Modell suchte, aber nichts fand.

Ich trotte zum Flugplatz zurück, der  inzwischen fast leer war, denn die meisten Kameraden hatten sich auf den Heimweg gemacht. Ich nahm meinen Sender und ging nochmals zur vermeintlichen Absturzstelle, in der Hoffnung, dass ich vielleicht das Geräusch der Servos hören könnte, wenn, ja wenn der Segler noch soweit funktionierte und der schwere Akku noch am Empfänger hing und die Rudermaschinen noch angeschlossen waren. Ganz allein stand ich im abendlichen Wald, schaltete meine Ohren auf höchste Empfindlichkeit und bewegte die beiden Steuerknüppel am Sender.

Nichts! Das vetraute Geräusch der Servos war nicht zu hören. Der Wind in den Baumkronen war das einzige , was ich vernahm.

Sollte ich vielleicht einmal Gas geben? Der  16 x 7,5 Faltpropeller macht ja ganz schön was her, wenn er auf Touren kommt?   Was solls?   Also Ohren auf Empfang und mit dem Mut der Verzweiflung den Gasknüppel nach vorne! 

Was war das? Ein  knarrendes, klapperndes, beinahe mähendes Geräusch schräg über mir, ganz weit oben in den Kronen der Fichten. Ich schaute und suchte und verrenkte mir beinahe den Hals, sah aber nichts. Nochmals vorsichtig Gas geben! Und wieder: gar nicht weit von mir dieses unheimlich sägende, knarrende Geräusch!  Nochmals ein herzhafter Gasstoß und dann krachten Äste.

Ein Gegenstand fiel einige  Meter vor mir auf den moosigen Waldboden, es war der Lipoakku. Kurz darauf ein zweiter Gegenstand, die  glänzende  Kabinenhaube und dann  einige  Fichtenzapfen und saftig grüne Zeige ! Dann war´s absolut still. Sehr still. Sogar die lauten Krähen hatten zu schreien aufgehört.

Und dann sah ich ihn, den  eigenwilligen  Motorsegler. Kopfüber hing er mit dem T-Leitwerk in einer Astgabel. Durch den  drehenden Propeller hatte er sich nach unten durch das Geäst „vorgearbeitet“ und hing nun stabil in gut zwanzig Metern über mir, sanft im Herbstwind schaukelnd.

Arcus Stefan MANITU.jpgWas nun?   Was tun?   Für die Nacht waren Regen und Sturm angesagt. Die teuere Elektronik im Modell wird das kaum schadlos überstehen.  Die Lage war ernst und fast aussichtslos!

Stefan!

 Mein ebenfalls modellfliegender Enkel kann vielleicht  helfen? „ARCUS hängt in einer Fichte am Hochfeld! Kannst du kommen? Opa“,  lautete  die kurze SMS. Keine zehn Minuten später war Stefan da und wir betrachteten beide die komplizierte Lage. Stefan, der gerade seine Ausbildung als Zimmerer erfolgreich abgeschlossen hatte, stellte alsbald fest: “ Da muss der Manitu her!“  Manitu ist ein großer Stapler in seiner Firma mit Hebebühne von über zehn Metern Arbeitshöhe. Also raste Stefan los und kam eine viertel Stunde  später mit seinem Manitu wieder. Zum Glück standen die Bäume an der Stelle nicht sehr dicht, so dass wir mit dem großen Gerät an den Baum heran konnten. Aber  ARCUS hing auf mindestens zwanzig Meter!  Raufklettern ging nicht, da die Äste nur im Wipfelbereich stark genug waren. Stefan hatte ein Idee: Er baute die Hehebühne ab, stellte den Stabler in passendem Abstand zum Baum und begann mit dem Ausleger den Stamm der mächtigen Fichte zu „bearbeiten“. Geschickt drückte er gegen den Baum und brachte so die  Krone zum Schwingen, bis das Modell endlich zu rutschen begann und gut zehn Meter nach unten fiel, bis es in den dünnen Zweigen einer Buche hängen blieb.

Jetzt  musste Opa ran!  Stefan montierte die Hebebühne wieder an und hob mich damit direkt zum ARCUS hoch, so dass ich ihn vom Geäst pflücken konnte. Sichtlich erleichtert brachten wir unseren „verlorenen Sohn“  wieder aus dem  berüchtigten Wald zurück zum Fluplatz, wo wir feststellten, dass  sich die Schäden am Modell in Grenzen hielten.

Stefan brachte seinen Manitu zurück zur Firma und ich den ARCUS in meinen Bastelkeller, wo er noch am gleichen Abend mit Epoxi und Glasmatte wieder in einen flugfähigen Zustand versetzt wurde.

Vielleicht wäre es in Zukunft sinnvoller wirklich mehr bei schönem Wetter zu fliegen, denn bei schlechtem Wetter kann´s unangenehme Überaschungen geben, so wie mit dem ARCUS, der auf Abwege geriet.

Pfraunfeld  4.Oktober 2017

 Andreas Bauer